Das Wahrheitsministerium …

… hätte das niemals durchgehen lassen.

Anschutz Arena
Kleines Relikt aus uralter Zeit. Für die Neuauflage benötigt die Kommune ein deutlich größeres Schild.

Wie soll ich die Musik- oder Mehrzweckhalle neben Berlins Ostbahnhof eigentlich nennen? Will ich, dass nacheinander der Telefonica-Konzern mir sagt, das Gebäude heißt „o2-World Berlin“, dann – seit vergangenem Jahr – die Daimler Benz AG mir und zum Beispiel auch der Wikipedia vorschreibt, es „Mercedes-Benz-Arena“ zu nennen? Obwohl der Bauherr und Betreiber des Gebäudes eine Firma des bereits mit goldenem Löffel im Mund auf die Welt gekommenen US-Milliardärs und Ölmagnaten Philip Frederick Anschutz ist, der lediglich die Namensrechte nacheinander an Telefonica und an Daimler verhökern ließ?
Die Frage entstand bei mir, als ich gestern an der Berliner Anschutz-Halle vorbeiradelte und Massen junger Menschen zum Konzert der britischen Rockband „Muse“ pilgern sah. Dort fand ich auch das noch aus der Zeit vor der Umbenennung übrig gebliebene „o2“-Parkplatzschild vor dem riesigen „Mercedes-Benz“-Emblem.

Ein paar Tage zuvor war ich mit einem Ausflugsdampfer in Greenwich und hatte dort den Londoner „Millennium Dome“ – der Name hielt bis 2005 – vor mir. Den betreibt Anschutz ebenfalls. Die dottigen Namensrechte hat er im Wechsel an Telefonica verkauft. Und zwar diesmal in der Schreibweise „The O₂“.

In der Berliner Halle war ich vor ein paar Jahren einmal selbst. Wie soll ich später erzählen, wo ich war, wenn ich nicht mehr weiß, ob das Ereignis vor oder nach der Umbenennung stattgefunden hatte? Ich finde, die Öffentlichkeit sollte sich auf eigentümerunabhängige Namen – so wie „Fernsehturm“ oder „Kölner Dom“ oder „Halle am Ostbahnhof“ – einigen, auf die auch das Grundstück betreffende öffentliche Bekanntmachungen, Hinweisschilder oder Verkehrshinweise Bezug nehmen können.  Namensgeber könnte dann durchaus auch der Gründungseigentümer oder Bauherr sein, in diesem Fall Anschutz.

Anschutz gehört in Nordamerika zu den Ölmagnaten, die bis heute verhindern, dass die USA das Kyoto-Protokoll unterzeichnen. Sein Arm reicht aber offenbar noch nicht so weit, dass die kleinsten Spuren seiner Alt-Verträge binnen Jahresfrist beseitigt werden, wenn er ein Namensrecht neu vergeben hat. Das hätte das Wahrheitsministerium in George Orwells „Neunzehnhundertvierundachtzig“ gewiss nicht durchgehen lassen.

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