Das verpasste Wembley-Tor

ein FußballHeute vor fünfzig Jahren war ebenfalls ein Sonnabend. Ich hatte Schulferien und befand mich in London. Abends streifte ich mit Holger Kühn, einem Klassenkameraden vom Kirchenpauer-Gymnasium in Hamburg, durch Soho. In einer Kneipe, die damals direkt unter dem Pickadilly Circus lag, hatten wir etwas getrunken. Als wir wieder ans Tageslicht kamen, erstaunte uns ein zunehmender Strom singender, tanzender und feiernder Menschen. Leute bildeten massenhaft Reihen, indem sie sich gegenseitig an den Schultern festhielten, hüpften und im Rhythmus ihres Gesangs abwechselnd das rechte und linke Bein nach vorn warfen.

Es herrschte eine frohe, geradezu ausgelassene Das verpasste Wembley-Tor weiterlesen

Das knarzende Alsion

Sonderborg von oben
Sonderburg an der Mündung des Alsen Sund in die Flensburger Förde. Foto: Lars Plougmann. Quelle + Rechte

Der Alsensund ist eine acht Kilometer lange dänischen Meerenge. Sie trennt die Insel Alsen vom Festland und mündet auf der Südseite in die Flensburger Förde. Weit mehr als ein Dutzend Mal habe ich den Sund in offenen oder geschlossenen Booten durchsegelt oder zumindest vor der Altstadt von Sonderburg (dänisch: Sønderborg) und dem dortigen Schloss fest gemacht. Meine Frau und mich verbindet ein abenteuerlicher Jollentörn von der Schlei aus mit dieser Stadt.

Wir waren frisch verliebt. Aber das Wasser war kalt und kabbelig. Das knarzende Alsion weiterlesen

Faust auf den Tisch

SonntagsfrühstückFrühstück am Sonntagmorgen. Gesprächsthema unter anderem: die vierstündige Faust I und II – Aufführung des Berliner Ensemble am Vorabend in der Inszenierung von Robert Wilson und in Anwesenheit des Komponisten Herbert Grönemeyer. Schauspielerisch, aber vor allem stimmlich phantastisch: Christopher Nell als Mephistopheles. Musik: gefällig, teilweise spontan ohrwurmhaft. Die Textfassung von Jutta Ferbers klatscht das Ende von Faust II an das Ende von Faust I und lässt Faust II pessimistisch statt, wie in Goethes Original, optimistisch oder zumindest versöhnlich enden. Ist aber egal, weil das Ganze nach meinem Empfinden nicht als Schauspiel, sondern als Videokollage konzipiert ist und als solche virtuos, kurzweilig und witzig daher kommt. Wer sich für die „Philosophie“ des Faustthemas interessiert, hat hier nichts zu finden. Ebenso zu kurz kommt, wer zumindest den Plot verstehen will und ihn nicht sowieso schon kennt.

Das Stück hat viel Beifall bei der Kritik gefunden. Ich finde, auch diese Inszenierung markiert mal wieder den Sieg der Form über den Inhalt. Aber das stört heute kaum noch einen Kritiker.

Widerruf: Heute Abend habe ich noch ein paar Kritiken zur Premiere im April vergangenen Jahres nachgelesen – Deutschlandunk, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, ZEIT. Ich habe den Kritikern unrecht getan. Sie sind keineswegs so euphorisch, wie ich aus falscher Erinnerung behauptet habe. Sie gehen mit der Inszenierung doch hart ins Gericht. Obwohl ich zum Teil ganz andere Sachen schlecht fand, als sie.

Das Wahrheitsministerium …

… hätte das niemals durchgehen lassen.

Anschutz Arena
Kleines Relikt aus uralter Zeit. Für die Neuauflage benötigt die Kommune ein deutlich größeres Schild.

Wie soll ich die Musik- oder Mehrzweckhalle neben Berlins Ostbahnhof eigentlich nennen? Will ich, dass nacheinander der Telefonica-Konzern mir sagt, das Gebäude heißt „o2-World Berlin“, dann – seit vergangenem Jahr – die Daimler Benz AG mir und zum Beispiel auch der Wikipedia vorschreibt, es „Mercedes-Benz-Arena“ zu nennen? Obwohl der Bauherr und Betreiber des Gebäudes eine Firma des bereits mit goldenem Löffel im Mund auf die Welt gekommenen US-Milliardärs und Ölmagnaten Philip Frederick Anschutz ist, der lediglich die Namensrechte nacheinander an Telefonica und an Daimler verhökern ließ? Das Wahrheitsministerium … weiterlesen

In den Gewölben des Erzherzogs

Hundert Meter vom Südufer der Themse entfernt befindet sich unter dem Schienenviadukt, das den nahen Waterloo Bahnhof mit dem Charing Cross Bahnhof auf der anderen Themse-Seite verbindet, ein Restaurant mit Weinbar und Jazzclub  namens „The Archduke“.

Aus der Archduke -Homepage
Aus der Archduke-Homepage

Vor anderthalb Wochen trank ich dort mittags einen Kaffee, um mir das Etablissement und seine Umgebung näher anzuschauen. Ich wollte hier abends essen.

Bevor die Gegend in den 70-er Jahren den Property Developern in die Hände fiel, gehörte das Gelände zum Territorium der cockney-sprachigen Urlondoner. Als ein echter „Cockney“ galten früher nur Städter, die in Hörweite des Glockenwerks der City-Kirche „St Mary le Bow“ zur Welt gekommen waren. Das wissen wir von unserem leider vor fast drei Jahren verstorbener Freund Charles, auf den dieses Kriterium voll zutraf. Er war 1951 im St Thomas-Krankenhaus geboren, direkt an der Themse, wenige hundert Meter von hier entfernt.
In den Gewölben des Erzherzogs weiterlesen

Mustangs an der Themse

Am vergangenen Wochenende habe ich mit meiner Frau, mit einer gemeinsamen Freundin, mit meiner in Essex lebenden Kusine und einem im Rheinland wohnhaften Freund und Vetter Geburtstag in London gefeiert.

Nachdem wir drei Berliner dem Gatwick-Express in der Victoria Station entstiegen waren, tranken wir vor dem nächsten Pub erstmal zur Selbstbegrüßung im Freien ein Bier. Die beiden Frauen teilten sich zur atmosphärischen Eingewöhnung eine Portion Fish & Chips. Das Lokal heißt, angeblich zum Gedenken an den Vater des Poeten, „The Shakespeare“. Dass sich Peter, unser hellblonder nächster Tischnachbar, hier auch ein paar Biere gönnte, hatte ebenfalls mit dem Gatwick-Express zu tun. Er wollte einen möglichst späten Zug zum Flughafen nehmen und sich die Zeit bis dahin lieber im „Shakespeare“ vertreiben, als vor einem öden Abflug-Gate. Mustangs an der Themse weiterlesen

Die Augen essen mit

Heute morgen erhielt ich einen Anruf von Herrn Broderius. Das fand ich wunderbar. Herr Broderius – sein voller Name lautet Hans-Werner Broderius – ist Inhaber und Koch einer norddeutschen Institution namens „Schleiperle“. Die Schleiperle ist das vielleicht bekannteste, sicherlich aber auch eines der besten Fischrestaurants zwischen Flensburger und Kieler Förde. Ich behaupte: Sie ist obendrein das bemerkenswerteste.
Die Augen essen mit weiterlesen

New York Blizzard of ‘78

Von Anfang Februar bis in den April 1978 arbeitete ich im New-Yorker Verlagsgebäude von Gruner + Jahr. Auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen traf ich mit Beginn einer der schlimmsten Schneekatastrophen ein, die Neuengland und New York seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt hat, mit mehr als hundert Toten. Wegen des Wetters und der damals herrschenden Terrorfurcht nahm die Anreise für mich einen besonders unangenehmen Verlauf. Aber dann wurden daraus zweieinhalb herrliche, vor allem aber außergewöhnlich lehrreiche Monate. Diese Erinnerung geht mir jetzt, am Tag nach dem ebenfalls besonders heftigen New-Yorker Blizzard vom 23. Januar 2016, durch den Kopf. New York Blizzard of ‘78 weiterlesen

Wie, ich?

Sporadum gehört zu den vielen Millionen Blogs, die unter WordPress laufen. Heute benachrichtigte mich wordpress.com (die kommerzielle Adresse, die hinter der offenen Plattform wordpress.org steht), dass ich sporadum.de unter einer persönlichen E-Mail-Adresse abonniert hätte. Wie, ich? Ich habe keine entsprechende Willenserklärung abgegeben. Ich bin ja nicht Abonnent dieses Titels, sondern Inhaber.  Ich muss aber jetzt befürchten, dass wordpress.com auch andere zu unfreiwilligen Abonnenten macht. Sollte das der Fall sein, wäre ich dankbar, wenn ich per Mail (sporado@sporadum.de) davon unterrichten würde. Eigentlich habe ich vor den WordPress-Machern hohen Respekt. Aber so etwas geht nicht. Sorry. .

Das Wort zum Problembaum

Der Kaufhof macht um zwei Uhr dicht.
Jetzt hätten nur noch Dichter Schicht.

Wenn sich die Sätze reimen sollen,
der Text nicht gar zu sehr verschwollen,
gedanklich schlicht, doch nicht verflacht,
Blieb nicht viel Zeit bis Mitternacht.

Die E-Mail käm jetzt viel zu spät,
weil niemand zum PC mehr geht,
wenn’s Tännchen schon in Flammen steht.
Das Wort zum Problembaum weiterlesen