Duzen

Vielleicht ist es eine Alters-, auf jeden Fall aber ist es eine Stilfrage. Schreibe ich einen Duz-Partner, so wie es fast alle tun, in der E-Mail oder im Brief mit „du“ an, mit kleinem Anfangsbuchstaben? Obwohl ich ihn, wäre er kein Duz-Partner, mit „Sie“ anschriebe? Das empfände ich als widersprüchlich. Ich schreibe deshalb das „Du“ auch in E-Mails prinzipiell groß.

Mir ist klar, dass das in manchen Milieus gestrig wirkt oder als absichtlich distanzierend. Wenn ich zum Beispiel einen Gewerkschaftsartikel schreibe und dafür Mails mit Vertrauensleuten und Betriebsräten wechsle, ist die mir geltende schriftliche Anrede das „du“. Dann empfinde ich ein Antworts-„Du“ fast schon, als wollte ich einen Tadel aussprechen oder als wollte ich mich demonstrativ als etwas Besseres ausgeben. Dann schreibe auch ich lieber „du“. Ich fühle mich dabei aber besonders unwohl. Denn würde der Mailpartner meine sonstige Gewohnheit kennen, müsste er das umso mehr als herabwürdigend empfinden.

Auszug aus der Agentur-Wörterliste
Im Brief wird geDuzt, sagen die Agenturen

Ich habe mir jetzt wieder einmal die Rechtschreib-Konventionen der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen angeschaut. Ergebnis: Wenn das Wort in einem Brief steht, schreiben die Agenturen das „Du“, bzw. „Dich“ ebenso wie beim „Sie“ zwingend mit großem Anfangsbuchstaben. Diese nur für sie selbst verbindliche Regelung haben die Agenturen zum 2. Halbjahr 2007 vereinbart, synchron zum Ende der für Schulen geltenden Übergangsfrist nach dem Inkrafttreten des neuen amtlichen deutschen Schreibungs-Regelwerks. Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Denn zwischen Snail-Mail und E-Mail sehe ich keinen Unterschied; ob etwas ein Brief ist, hängt nicht am Papier.

P.S. Das Ganze gehört zu den widersprüchlichen Auswirkungen des unseligen deutschen „Du“-„Sie“ -Dualismus. Ich bleibe ein Anhänger der angelsächsischen und skandinavischen Abschaffung des „Sie“. Ohne das „Sie“ müsste ich mir auch keine Gedanken machen, ob und wann ich „Du“ oder „du“ schreibe.

„Steuerzahler-Gedenktag”

Mit dem Steuerzahler-Gedenktag täuscht der Steuerzahlerbund die Leser
Vor dreizehn Jahren legte ich in der Süddeutschen Zeitung offen, mit welcher unlauteren Methodik der Steuerzahlerbund seinen Steuerzahler-Gedenktag ermittelt (siehe Bild oben). Der jetzt für den morgigen 19. Juli 2017 ausgerufene Tag beruht immer noch auf derselben manipulativen Rechenmethode. Die damalige Analyse trifft weiterhin zu. Da mein Text vom 16. Juli 2004 nicht ganz einfach zu entziffern ist, drucke ich ihn hier noch einmal unverändert in leichter lesbarer Form ab.

 

Berlin. Am Donnerstag war es wieder einmal so weit: Der Bund der Steuerzahler hat den „Steuerzahler-Gedenktag” ausgerufen und erklärt, die Steuer- und Abgabenquote sei gestiegen. Doch die Zahlen des Verbands sind fragwürdig. „Steuerzahler-Gedenktag” weiterlesen

Unangenehme Nachrichten

Es gibt Nachrichten und „Nachrichten”, bzw. sogenannte Nachrichten. Über sogenannte Nachrichten ärgere ich mich vor allem, wenn sie in meinem Leib- und Magensender Deutschlandfunk (DLF) vorkommen. Denn dessen Nachrichtensendungen genießen besonderes Ansehen. 2008 erhielt die Nachrichtenredaktion den Medienpreis des Deutschen Bundestags. Sie hat auch für Nachrichtenredakteure anderer Medien eine Vorbildfunktion.

Soeben verlas der Nachrichtensprecher zum Beispiel diesen Unangenehme Nachrichten weiterlesen

Django

„Django“ war der Eröffnungsfilm der Berlinale 2017 am gestrigen Donnerstagabend (9. Februar). Er handelt von dem Können, der Angst und dem Mut des genialen französischen Sinto und Gitarristen Django Reinhardt im von den Deutschen besetzten Frankreich 1943. Heute (Freitag) Abend haben auch meine Frau und ich uns den Film im eigentlich für Tanzrevuen gebauten Friedrichstadtpalast angesehen.

Anschließend tauschten wir in einer nahen Kneipe unsere Eindrücke Django weiterlesen

Roman Herzog

Einmal im Jahr lädt das Bundesverfassungsgericht zu einem abendlichen Pressegespräch nach Karlsruhe ein. Zwei Tage später berichtet dann die Tagespresse über die letztjährige Arbeitsbilanz des Gerichts. Elektronische Medien tun es schneller. Gastgeber als Gerichtspräsident war von 1987 bis 1994 der gestern verstorbene Roman Herzog. Weil ich mit Redaktionssitz in Köln viel über die Folgen höchstrichterlicher Urteile – meist im Steuerrecht – schrieb, war ich von 1983 bis 2000 fast jedes Jahr dabei. Roman Herzog weiterlesen

Faust auf den Tisch

SonntagsfrühstückFrühstück am Sonntagmorgen. Gesprächsthema unter anderem: die vierstündige Faust I und II – Aufführung des Berliner Ensemble am Vorabend in der Inszenierung von Robert Wilson und in Anwesenheit des Komponisten Herbert Grönemeyer. Schauspielerisch, aber vor allem stimmlich phantastisch: Christopher Nell als Mephistopheles. Musik: gefällig, teilweise spontan ohrwurmhaft. Die Textfassung von Jutta Ferbers klatscht das Ende von Faust II an das Ende von Faust I und lässt Faust II pessimistisch statt, wie in Goethes Original, optimistisch oder zumindest versöhnlich enden. Ist aber egal, weil das Ganze nach meinem Empfinden nicht als Schauspiel, sondern als Videokollage konzipiert ist und als solche virtuos, kurzweilig und witzig daher kommt. Wer sich für die „Philosophie“ des Faustthemas interessiert, hat hier nichts zu finden. Ebenso zu kurz kommt, wer zumindest den Plot verstehen will und ihn nicht sowieso schon kennt.

Das Stück hat viel Beifall bei der Kritik gefunden. Ich finde, auch diese Inszenierung markiert mal wieder den Sieg der Form über den Inhalt. Aber das stört heute kaum noch einen Kritiker.

Widerruf: Heute Abend habe ich noch ein paar Kritiken zur Premiere im April vergangenen Jahres nachgelesen – Deutschlandunk, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, ZEIT. Ich habe den Kritikern unrecht getan. Sie sind keineswegs so euphorisch, wie ich aus falscher Erinnerung behauptet habe. Sie gehen mit der Inszenierung doch hart ins Gericht. Obwohl ich zum Teil ganz andere Sachen schlecht fand, als sie.

„verdächtige Menschen“

In einem heute (9. Juni 2016) veröffentlichten Interview mit Deutschlandfunk-Redakteur Dirk-Oliver Heckmann hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière Kritik am geplanten Anti-Terror-Gesetz zum besseren Informationsaustausch zwischen den europäischen Geheimdiensten zurück gewiesen. Es gehe darum, „dass wir“, so der Minster wörtlich, „verdächtige, nicht unschuldige Bürger, verdächtige Menschen, die in Gefahr stehen, terroristische Anschläge zu begehen, dass wir deren Daten gemeinsam mit anderen austauschen.“

Man muss kein Gegner dieses Gesetzentwurfs sein, um sich ehrlicherweise einzugestehen, dass das, was der Minister dort ausdrückt, nur eine Absicht sein kann.

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Schlechte Nachrichten

Ich bin seit Jahrzehnten bekennender Stammhörer des Deutschlandfunks und auch der Deutschlandfunk-Nachrichten. Mit den „Informationen am Morgen“ beginnt mein Tag. Auch die Sendung „Essay und Diskurs“ höhre ich sonntagsmorgens manchmal gerne. „Klassik-Pop-et Cetera“ lasse ich sonnabendsmorgens ohnehin nur ungerne ausfallen. Der Sender und seine Redakteure stehen bei mir einfach in hohem Ansehen.

Die Ausnahme bildet die Nachrichtenredaktion.
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