Zu Besuch bei Gaby Bischoff

Gabriele Bischoff. MdEP

Am 20. Januar erhielt ich aus dem Büro der Berliner Europaabgeordneten Gabriele Bischoff (SPD) eine E-Mail: Es gebe noch wenige freie Plätze für eine in den letzten Januartagen stattfindende, vom EU-Parlament bezuschusste, Fahrt nach Brüssel. Es bestünde Gelegenheit, im Europäischen Parlament „live aktuelle Debatten zu verfolgen“. Ausgerechnet die letzten Januartage? Das beinhaltete die Chance, Augen- und Ohrenzeuge des parlamentarischen Brexit-Showdowns zu werden.

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Abschied

31. Januar 2020. Dass ich mich ausgerechnet am heutigen Freitag in einem Autobus auf dem Rückweg von Brüssel nach Berlin befinde, wird mir in Erinnerung bleiben. Es ist für lange oder für immer der letzte Tag, an dem das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland Mitglied der Europäischen Union ist. Während ich nach Osten fahre, das Tablet zum Schreiben auf meinen Knien, bewegen sich britische EU-Parlamentarier und ihre Mitarbeiter jetzt westwärts. Wenn sie nicht schon nach der letzten Plenarsitzung gefahren sind, vorgestern oder gestern. Normale britische Beschäftigte der Europäischen Union begehen heute ihren Abschiedstag. Ab Mitternacht ist GB kein Autokennzeichen innerhalb der EU mehr.

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Vorsätze

Neujahr 2020. Nach einer schönen Silvesterfeier bei Freunden in Köln sitzen wir noch etwas benommen im ICE 951 zurück nach Berlin. Der gefaltete Reiseplan „Your Travel Guide“ liegt überall aus, ist blütenfrisch und gilt seit heute. Aĺlerdings nicht für den proppevollen ICE von Köln nach Berlin, sondern für den ICE von Berlin nach Köln. Der Fahrkartenkontrolleur sagt: Die Falt-Bätter von Köln nach Berlin sind heute leider nicht geliefert worden. Die von Berlin nach Köln sind liegen geblieben, weil der Zug auf der Herfahrt Verspätung hatte und die Zeit nicht reichte, sie wieder einzusammeln. Er habe den Vorfall schon gemeldet. Immerhin.

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Viktor Ullmann

Gemeinsam mit meiner Frau besuchte ich am 2. Dezember ein Konzert der jungen (1993 geborenen), aber schon sehr erfolgreichen österreichischen Pianistin Hanna Bachmann. Dazu eingeladen hatte das – der katholischen Kirche gehörende – „Österreichische Pilger-Hospiz zur Heiligen Familie“. Wir hatten zufällig davon erfahren.

Hanna Bachmann spielte Werke von Mozart, Schubert und Viktor Ullmann, deutlich mehr als eine Stunde und völlig ohne Noten (Foto). Dass mich dieses Konzert länger beschäftigte, lag daran, dass sie zu jeder von ihr vorgetragenen Komposition etwas sagte. Über Viktor Ullmanns Sonata Nr. 7 sagte sie ein paar Worte mehr. Darunter, dass Ullmann die fünfteilige Komposition im Konzentrationslager Theresienstadt geschrieben hatte, kurz vor seinem Abtransport nach Auschwitz 1944 und seiner Ermordung in einer Gaskammer.

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Vorbildliche Dänen

Die Dänen wählen heute ihr Parlament. Genau vor einer Woche besuchten meine Frau und ich die dänische Insel Alsen. Dort fiel mir ein, dass wir noch Milch brauchten und morgen in Deutschland die meisten Geschäfte wegen Himmelfahrt geschlossen sein würden. Im örtlichen Coop kaufte ich einen Liter fettarme Frischmilch.

Der signifikante Unterschied zu deutschen Milchpackungen: Der Haltbarkeitsaufdruck zeigte nicht nur das Verfallsdatum an, sondern auch das Herstellungsdatum. Das ist in Dänemark so vorgeschrieben, für viele verpackte Produkte, nicht nur für Milchkartons. Wir hatten den 29. Mai; Herstellungsdatum unserer Milch war der 27. Mai.

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Mehr Transparenz!

Drei Journalisten der New York Tmes haben einen Pulitzer Preis für „explanatory writing“ erhalten. Das freut mich sehr. Ich hatte den Beitrag der Drei sofort gelesen, war von ihm tief beeindruckt und schrieb darüber in Sporadum. Der Anfang Oktober erschienene Artikel beruht auf einer 18-monatigen Recherche und erklärt überzeugend, wie Donald Trump zu seinem Geld kam: durch seinen Vater Fred. C. Trump.

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Trump mag hier keiner

Gestern kehrten wir von unserer New-York-Reise zurück nach Berlin. In den knapp vier Wochen haben wir viele neue Eindrücke gewonnen. Was ich so nicht erwartet hatte: Entstand eine Zufallsbekanntschaft, die über wenige Worte hinaus ging und uns als Ausländer kenntlich machte, distanzierten sich die New Yorker ungefragt und demonstrativ von Donald Trump.

Das war schon bei unserer Ankunft in der ersten Adventwoche so, als wir im Treppenhaus Bill kennen lernten, einen kommunal- und kulturpolitischen Aktivisten. Mit ihm freundete ich mich unter anderem deshalb an, weil er jahrzehntelang Wirtschaftsredakteur der New Yorker Tageszeitung „Journal of Commerce“ war und wir uns  beruflich einiges zu erzählen hatten. Auch politisch verstehen wir uns.

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Ich bin neugierig

Meine Frau und ich waren 1994 zum letzten Mal zusammen in New York. Damals war Sommer. Jetzt ist fast Winter. Wir haben Berlin kurz vor dem 2. Advent verlassen und verbringen ein paar Tage hier. Wir wohnen auf der Manhattan gegenüberliegenden Seite des Hudson River in Jersey City. Hier ist eine gemietete Wohnung vergleichsweise günstig, Ich bin neugierig weiterlesen

Trump und die deutschen Steuern

Der „Tag der Deutschen Einheit“ geht zu Ende. Für mich war es ein anstrengender 3. Oktober. Ich verbrachte ihn fast vollständig damit, die heutige Titelgeschichte der New York Times über die Entstehung von Donald Trumps Vermögen und seine Steuervermeidungsstrategien zu lesen. Sie zu begreifen ist Schwerarbeit, auch wenn die drei Autoren David Barstow, Susanne Craig und Russ Buettner das Lesen durch einen transparenten Satzbau und eine bildhafte Sprache erleichtern. Aber immer wieder musste ich versuchen, die Übersetzung von Spezial-Vokabeln zu improvisieren, die ich in keinem Wörterbuch fand.
Was mich an der Geschichte so fesselt? Vor allem, dass sie mir déja-vue-Erlebnisse aus meiner Zeit als junger Wirtschaftsredakteur liefert. Ich sammelte damals eigene Erfahrungen über deutsche Unternehmer und die Strategien reicher hiesiger Familien zur Vermeidung generell von Steuern und speziell von Erbschaft- und Schenkungssteuern.
1980 war ich einer der Gründungsredakteure der damals neuen Unternehmerzeitschrift „Impulse“ des Verlags Gruner + Jahr. Eine Unternehmerzeitschrift, die dieses Bezeichnung zu Recht trug, gab es bis dahin in Deutschland nicht. Bald spezialisierte ich mich auf das Thema „Steuern“. Das war für mich als SPD- und Gewerkschaftsmitglied eine Art beruflicher Lebensversicherung gegenüber einem politisch deutlich rechts von mir stehenden Leitungsteam mit dem Herausgeber Johannes Gross – auf dessen Bücherregal stets ein Foto des reaktionären Staatsrechtlers und Nazi-Apologeten Carl Schmitt stand.
Ich versenkte mich in die steuerliche Fachliteratur, erzielt Zugang zu den Doktorandenseminiaren des führenden Kölner Steuerprofessors Klaus Tipke und lernte eine Vielzahl von Unternehmern kennen, indem ich über die Steuerprozesse recherchierte und wenn möglich schrieb, die sie bei den Finanzgerichten und beim Bundesfinanzhof in München führten. Abends besuchte ich einen Steuerberaterlehrgang.
Erbschaft- und Schenkungsteuersachen spielten damals eine herausragende Rolle. Ich nehme mir jetzt einmal vor, Sporadum demnächst ein wenig zu nutzen, um die Erinnerung an bestimmte Trump-Parallelen in Deutschland aufzufrischen.