Steuerzahler-Gedenkfake

Der Bund der Steuerzahler bringt gerade wieder mal sein falsches Rechenmodell unter die Leute. Ab morgen früh um  4:40 Uhr, so seine Behauptung, arbeiten die Bürger und Betriebe wieder fürs eigene Portemonnaie, weil der Staat das Land mit 54,3 Prozent Steuern und Abgaben belastet. Deshalb sei morgen Steuerzahler-Gedenktag. Doch als gelernter Volkswirt weiß ich: Dieser Gedenktag beruht auf einer falsch berechneten Quote, und das verschweigt der Steuerzahlerbund mit Bedacht. Seit mittlerweile 18 Jahren will er den Menschen den Irrglauben einimpfen, der Staat würde ihnen mehr als die Hälfte ihres Arbeitsertrags wegnehmen. Die meisten glauben dieser falschen Quote inzwischen.

Was ist eine falsche Quote? Ein Beispiel:  Während einer Schnupfenzeit melden sich in zwei Schulklassen mit jeweils 20 Schülerinnen oder Schülern jeweils sechs Kinder krank. Also gibt es 12 kranke Kinder. Durch ein Missverständnis verbreitet sich aber, alle 12 kranken Kinder gehörten zur selben Klasse. Was dann einer Krankenquote von 60 Prozent entspricht. Rechnerisch verallgemeinert: Im Zähler eines Bruchs (Kinder mit Schnupfen aus zwei Schulklassen) steht etwas, das in der Vergleichsbasis, dem Nenner (nur eine Schulklasse) nicht vorkommt. Wissenschaftler nennen sowas falsche Quote oder unechte Quote.

Der Steuerzahlerbund benutzt eine solche falsche Quote böswillig. Indem er seinen Steuerzahler-Gedenktag zweieinhalb Wochen nach Beginn der zweiten Jahreshälfte ausruft, setzt er auch heute wieder eine falsche Quote in die Welt, um die Bevölkerung über die Höhe der Steuerlasten fehlzuleiten.

Wollte der Verein die Menschen wahrheitsgemäß informieren, würde er die Steuer- und Abgabenbelastung ins Verhältnis zu den volkswirtschaftlichen Primär-Einkommen setzen. Aus den Primäreinkommen bezahlen die Menschen nämlich ihre Steuern und Abgaben, nicht, wie der Verein behauptet, aus dem Volkseinkommen. Die Menge aller Primäreinkommen ist das Sozialprodukt.

Das Volkseinkommen ist eine Rechengröße, die sich ergibt, wenn man die Primäreinkommen um die größere Hälfte aller gezahlten Steuern kürzt, darunter die gesamte Mehrwertsteuer, die Mineralölsteuern, die Branntweinsteuern, die Gewerbesteuern, die Grund- und Grunderwerbsteuern und so weiter und so fort. Genau so, mit ein paar Korrekturen, ist das Volkseinkomme halt definiert. Die Primäreinkommen als Vergleichsbasis umfassen also im Beispiel beide Schulklassen, das Volkseinkommen umfasst nur eine. Alle Steuern und Abgaben ins Verhältnis zu den Primäreinkommen zu setzen, wäre ehrlich, sie lediglich ins Verhältnis zum Volkseinkommen zu setzen, treibt die „Quote” hoch, ist aber verlogen.

Natürlich weiß das der Steuerzahlerbund. Aber er verschweigt es. Der Verein sollte besser Bund der Steuerlügner heißen.

Leider, leider liebt aber ein erheblicher Teil der deutschen Nachrichten- und Wirtschaftsjournalisten diesen durchtriebenen Verein. Sie ersparen sich das Rechnen und nehmen – BILD vorneweg – an der Verbreitung des Unsinns teil.

Und aus diesem Grund habe ich heute Mittag mal kurz den Garten verlassen, um mir meinen aufwallenden Zorn von der Seele zu schreiben.