Abflug-Display in Tegel

Ich bin neugierig

Meine Frau und ich waren 1994 zum letzten Mal zusammen in New York. Damals war Sommer. Jetzt ist fast Winter. Wir haben Berlin kurz vor dem 2. Advent verlassen und verbringen ein paar Tage hier. Wir wohnen auf der Manhattan gegenüberliegenden Seite des Hudson River in Jersey City. Hier ist eine gemietete Wohnung vergleichsweise günstig, und wir müssen uns nicht in ein Hotelzimmer quetschen. Die Trans Hudson Bahn PATH braucht keine Viertelstunde für die fünf Kilometer zum World Trade Center.

Dort haben wir uns am Freitag zunächst die beiden Gedenkbrunnen angesehen. Sie sind identisch geformt und befinden sich genau an der Stelle, wo bis zum 11. September 2001 die beiden Zwillingstürme des World Trade Center standen. Die quadratisch angelegten zweistufigen Wasserfälle, die scheinbar hinab in ein Nichts stürzen, symbolisieren die damaligen Vorgänge auf beeindruckende Weise.

Für mich wie für viele andere gehört der Zusammenbruch der Türme zu den einschneidenden persönlichen Erinnerungen. Ich war damals in Berlin, saß an meinem Schreibtisch im 2. Stock des Pressehauses am Schiffbauerdamm, und das Parlamentsfernsehen lief. Anke Fuchs, Vizepräsidentin des Bundestags, leitete eine Plenarsitzung. Das Thema weiß ich nicht mehr. Unvermittelt brach sie dann die Debatte wegen ‚Ereignissen in den USA‘ ab und beendete die Bundestagssitzung komplett. Ich schaltete um auf CNN und sah einen Turm des World Trade Center brennen. Nach und nach füllte sich mein Zimmer.

Und jetzt stehe ich genau an der Stelle, an der sich die Außenwand des brennenden Wolkenkratzers befand, den ich zweimal besucht hatte. Beim ersten Mal, im Frühjahr 1978, waren die Türme noch jung. Ich war für zwei Monate beruflich in New York, ging mit Kollegen ins Panorama-Restaurant „Windows on the World“ im 107. Stock des Nordturms und staunte.

Damals erschien es mir unvorstellbar, dass diese beiden kühnen Gebäude schon 23 Jahre später dem Erdboden gleich gemacht sein würden. Aber damals erschien es mir auch unvorstellbar, dass schon elf Jahre später die Berliner Mauer fallen würde. Beide Stürze stehen jetzt für eine komplett andere Welt. Was das für Berlin bedeutet, kann ich einigermaßen gut einschätzen. Für New York gilt das nicht. Ich bin neugierig.