Vorbildliche Dänen

Die Dänen wählen heute ihr Parlament. Genau vor einer Woche besuchten meine Frau und ich die dänische Insel Alsen. Dort fiel mir ein, dass wir noch Milch brauchten und morgen in Deutschland die meisten Geschäfte wegen Himmelfahrt geschlossen sein würden. Im örtlichen Coop kaufte ich einen Liter fettarme Frischmilch.

Der signifikante Unterschied zu deutschen Milchpackungen: Der Haltbarkeitsaufdruck zeigte nicht nur das Verfallsdatum an, sondern auch das Herstellungsdatum. Das ist in Dänemark so vorgeschrieben, für viele verpackte Produkte, nicht nur für Milchkartons. Wir hatten den 29. Mai; Herstellungsdatum unserer Milch war der 27. Mai.

unsere eigenen wirtschaftshörigen Minister

Verpackte Frischmilch, die nur zwei Tage alt ist, bekommen wir in deutschen Geschäften selten zu sehen. Wir merken das aber nicht. Auf unseren Frischmilchpackungen steht allein der Haltbarkeitstermin. Und der liegt meist drei Wochen hinter dem Herstellungsdatum, garniert mit dem Versprechen „länger haltbar“.

Die Folge: In Dänemark beeilen sich Hersteller und Handel, verpackte Milchprodukte schnell zum Verbraucher zu bringen. In Deutschland können sie sich Zeit lassen. Auch die Haltbarkeitsfrist läuft in Dänemark oft schneller ab, trotz gleicher Produktqualität. Bei unserem Liter dänischer Frischmilch endet sie heute. In diesem Alter kommt die Milch in Deutschland manchmal gerade erst in den Verkauf.

Seit Jahrzehnten predigen unsere Ernährungs- und Landwirtschaftsminister, intakte Lebensmittel nicht vorzeitig wegzuwerfen und den gesetzlich vorgeschriebenen Haltbarkeitsaufdruck nicht als Enddatum der Genießbarkeit zu begreifen. Zur Zeit hält Ministerin Julia Klöckner diese Predigt. Aber wie soll ich einschätzen, wie lange mein konkretes Produkt im Normalfall hält, wenn die Aufschrift verschweigt, auf welchem Anfangsdatum das Verfallsdatum beruht? Die Ernährungsindustrie und die deutschen Einzelhandelsketten ziehen es offensichtlich vor, ihre Kunden darüber im Unklaren zu lassen. Andernfals läge die Wegwerfquote in Deutschland gewiss deutlich niedriger. Aber die Verkaufszahlen der Neuprodukte würden entsprechend sinken.

Die deutschen Ernährungsminister – vor Klöckner (CDU) waren das Horst Seehofer, Ilse Aigner, Hans-Peter Friedrich, Christian Schmidt (alle CSU) – sind da offensichtlich hersteller- und handelshörig. Die Dänen dagegen haben es begriffen. Vermutlich werden sie heute auch vernünftiger wählen.