In einem heute (9. Juni 2016) veröffentlichten Interview mit Deutschlandfunk-Redakteur Dirk-Oliver Heckmann hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière Kritik am geplanten Anti-Terror-Gesetz zum besseren Informationsaustausch zwischen den europäischen Geheimdiensten zurück gewiesen. Es gehe darum, „dass wir“, so der Minster wörtlich, „verdächtige, nicht unschuldige Bürger, verdächtige Menschen, die in Gefahr stehen, terroristische Anschläge zu begehen, dass wir deren Daten gemeinsam mit anderen austauschen.“
Man muss kein Gegner dieses Gesetzentwurfs sein, um sich ehrlicherweise einzugestehen, dass das, was der Minister dort ausdrückt, nur eine Absicht sein kann.
In der Realität werden unter den Verdächtigen, deren Daten über Staatsgrenzen hinweg ausgetauscht werden sollen, immer auch zu Unrecht Verdächtigte, also unschuldige Bürger, sein. Es geht ja um Warnungen vor wahrscheinlich oder höchstwahrscheinlich bösartige Menschen. Andernfalls hätte der Datenaustausch keine Schutzwirkung. Dort wird es also immer wieder auch das geben, was der Statistiker „falsch positive“ Treffer nennt.
Diese falsch positiven Treffer sind aber konkrete Menschen, die irrtümlich ins Fadenkreuz der Sicherheitsapparate geratenen. Ein Mehr an Sicherheitsmaßnahmen ist angesichts der gewachsenen Terrorgefahr notwendig. Aber für den, den es zu Unrecht trifft, bedeutet das eine Verletzung seiner Menschenrechte. Wer behauptet, das ausschließen zu können, ist unglaubwürdig. De Maizière hat deshalb Unrecht, wenn er in dem Interview einen „Sicherheitsgewinn ohne einen Freiheitsverlust“ durch das Gesetz verspricht.
Ich ärgere mich, wenn in der Politik oder in Medien das eigentlich seit Jahrhunderten überholte Gegensatzpaar „Verdächtige“ vs. „unschuldige Bürger“ wiederbelebt wird. Jede „Google“-Suche bestätigt leider, dass es in journalistischen Beiträgen auch wieder üblich geworden ist, von einem „Freispruch aus Mangel an Beweisen“ zu sprechen. Hier ist Sensibilität verloren gegangen.
Auch die Nachrichtenredaktion des Deutschlandsfunks ist davon nicht frei. Originalton aus den Deutschlandfunk-Nachrichen heute (9. Juni 16), 8:00 Uhr morgens:
Bundesinnenminister de Maizière hat die Kritik am geplanten Gesetz über einen besseren Informationsaustausch der europäischen Geheimdienste zurückgewiesen. … Es gehe darum, die Daten von Verdächtigen – und nicht von unschuldigen Bürgern – auszutauschen, betonte de Maizière.
De Maizière hatte diese sehr missverständliche und m.E. unvertretbar nachlässige Formulierung im Interview tatsächlich benutzt. Ich hätte mir gewünscht, dass die Redaktion deshalb im Nachrichtentext ein „so der Minister“ vor dem Passus „Verdächtigen und nicht von unschuligen Bürgern“ eingesetzt hätte. Das zu unterlassen, finde ich gerade bei diesem Gegensatzpaar sträflich. Denn darauf kann sich jetzt auch der Stammtisch berufen.