Zehn prall gefüllte Reisetage liegen nun schon hinter mir. Auf dem nahe der Isar gelegenen Zeltplatz Thalfang hatte ich vor gut einer Woche erstmals das große meiner beiden Zelte aufgebaut und es für opulente Frühstücke genutzt. Bevor ich München wieder verließ, hatte ich noch einen vollen Sonntag Zeit für die gerade eröffnete große Etrusker-Ausstellung in der Staatlichen Antikensammlung am Münchner Königsplatz gefunden und auch für die noch viel beeindruckendere Glyptothek gegenüber. Eine wunderbare Einstimmung auf die bevorstehenden Wochen in Italien. Am Montag hatte ich das Zelt dann für vier Tage am Chiemsee aufgeschlagen, um den schönen Chiemgau zu genießen. Dabei hatte ich mir aber auch die Zeit genommen, an einer Führung durch Schloss Herrenchiemsee, das fantasielose Versailles-Plagiat des „Kini“ Ludwig II., teilzunehmen. Ohne Führung durfte man nicht durch das Schloss laufen. Leider war die junge Frau, der die Führung anvertraut worden war, historisch und kunsthistorisch stark unterbelichtet. Sie wich so ziemlich allen Fragen aus, die ich ihr stellte. Ich war allerdings auch der einzige, der überhaupt fragte. Danach war es leider zu spät geworden, noch das Alte Schloss zu besichtigen, in dem der Verfassungskonvent im August 1948 getagt hatte, um das Grundgesetz vorzubereiten.
Zum Schönsten an solchen Zeltreisen, wie ich sie jetzt begonnen habe, gehören die Begegnungen mit einem besonderen Schlag Mensch. Am Mittwochabend teilte ich mir das warme Abendbrot und den kühlen Rotwein zum Beispiel mit Sabina und Andi aus Graz. Beide hatte gerade eine lange Zeltreise hinter sich und kehrten am nächsten Tag nach Hause zurück. Beide sind ungemein nachdenkliche Menschen. Sabina ist Sozialarbeiterin und Andi ist ein durch und durch alternativer junger Gymnaliallehrer. Wir diskutierten bis in die tiefe Nacht über Politik, Erziehung, Geschichte und die Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland. Das war herzerwärmend schön.
Am Freitagnachmittag war ich dann in das Tiroler Gebirge „Wilder Kaiser“ gefahren, hatte für eine kurze Nacht das kleine Zelt aufgeschlagen, hatte im Gasthaus eine zünftige Jause verzehrt sowie einen Wilden-Kaiser-Schmarrn (und war natürlich ich nicht der erste, dem dieser Ka(iser)lauer einfiel).
Vorgestern überquerte ich die Alpen. Mittags beobachtete ich zunächst noch in Zell am See/Kaprun Schwimmer, die im eiskalten See um die Qualifikation für die Ironman-Weltmeisterschaft 2017 kämpften. Für den Alpen-Hauptkamm benutzte ich dann die 48 Kilometer lange Großglockner-Hochalpenstraße, mit ihren leider sehr zeitraubenden Panoramablicken, den interessanten historischen Freiluft-Ausstellungen und den vielen engen Serpentinen. Da ich mich auf dem Weg nach Venedig befand, fesselte mich am meisten die Abbildung einer in der Nähe des Hochtors gefundenen acht Meter langen aus eisernen Halsringen bestehenden Sklavenkette. Ihr Fundort wird so deutet, dass ein Sklaven-Trupp seinen Aufsehern hatte entkommen können. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, so ist zu lesen, waren sie Handelsware des Erzbischofs von Salzburg für den Galeerenbau in Venedig und hatten deshalb, ein qualvolles Ende vor Augen, die Alpen überqueren sollen.
Auf einem Zeltplatz am Ausgang des Nationalparks Hohe Tauern hatte ich – lange nach Einbruch der Dunkelheit – schließlich erneut nur das kleine Zelt aufgebaut. Heute Morgen erreichte ich dann Italien und fuhr kreuz und quer durch die Dolomitenlandschaft, picknickte auf besonders schönen Bergparkplätzen und steuerte schließlich über die Autobahn die Lagune von Venedig an. Auf dem südlichsten Zipfel der nordlichen Adria-Nehrung fand ich nach längerer Suche einen für mich idealen Standort, Punta Sabbioni. Fünf Fußminuten vom gleichnamigen Fährhafen, kurz vor der via Goethe Wolfgango, gibt es den Campingplatz Miramare. Er ist zu weniger als einem Viertel belegt.
Ich habe mir endlich wieder genug Zeit genommen, das große Zelt aufzubauen. Von der Straße vor dem Zeltplatz aus sieht man den Lido, nicht aber den gerade einmal vier Kilometer entfernten Markusturm im Stadtzentrum. Am Anleger kaufte ich mir eine Dreitageskarte für sämtliche öffentlichen Fährverbindungen innerhalb Venedigs und zwischen Venedig und den Nachbarortschaften. Drei Tage, weil ich sie erst morgen (Montag) benutzen und dann am Donnerstag mit dem Auto zum Flughafen Marco Polo fahren werde. Dort hole ich meine Frau Daisy für zwei gemeinsame Italienwochen ab. Dann wohnen wir nicht im Zelt, sondern haben schon ein paar malerische Hotels gebucht.