Hubert Burda feiert heute seinen 75-sten. Es sei ihm gegönnt. Als Verleger hat er viel gewagt und geleistet, vor allem Focus auf den Markt gebracht. Alle Achtung!
Es bekommt heute viele Ehrungen. Denen muss man auch nicht widersprechen. Kaum erwähnt wird, dass er der CDU nahe steht und für sie zum Beispiel als Mitglied der 14. Bundesversammlung seine Stimme wohl Christian Wulff gab. Als Präsident des Zeitschriftenverlegerverbands hat er viel Lobbyarbeit in Berlin geleistet, vermutlich nicht zum Nachteil des Landes. Auch das sei anerkannt.
Nur eins habe ich ihm immer von Herzen missgönnt: dass er sich das Recht nehmen kann, nach Lust und Laune zu schwadronieren, während sich andere ehrfürchtig um ihn versammeln. Jetzt nehme ich mir das auch mal raus, wenn auch ohne große Versammlung.
Ein paarmal saß ich dabei, wie er bei Pressekonferenzen als Präsident des Zeitschriftenverlegerverbands im Pressehaus in Berlin am Schiffbauerdamm von Hölzchen auf Stöckchen kam und sich als Zeitschriftenphilosoph im Höhenflug gerierte. Und wie die ganze versammelte Journalistenschar unerträglich brav und ehrfürchtig und zwischenruffrei seinen viel zu langen Vortrag erduldete. Es war zu spüren, dass er daran gewöhnt ist – und welche Art Leute ihn im Alltag umgeben.
Ihm war immer klar, warum er sich viel herausnehmen kann. Bei einem Interview, das er seiner Bunten-Chefredakteurin Patricia Riekel anlässlich seines 60. Geburtstags gewährte, erzählte er einmal im Klartext, warum: weil „Chefredakteure und Herausgeber“ in Deutschland die einzige Berufsgruppe sind, die keine Bange vor Enthüllungsgeschichten haben müssten.
So ganz hatte er damit aber nicht recht.
Einmal, und zwar zu seinem 65. Geburtstag vor zehn Jahren, hatte ich etwas über ihn zu enthüllen. Und das Beste war, wie mich Burdas Pressesprecher Nikolaus von der Decken anschließend am Telefon hoch verärgert spüren ließ, wie sehr ich ins Schwarze getroffen hatte.
In Berlin war ruchbar geworden, dass Hubert Burda versucht hatte, die große Feier zu seinem 50. Geburtstag mit über 2500 Teilnehmern komplett über seine Burda GmbH von der Steuer abzusetzen. Das ist im Einkommensteuergesetz zwar nicht vorgesehen. Aber Burda dachte wohl, man kann es ja mal probieren. Sein Pech: Während er erstinstanzlich sogar gewann, verlor er den Prozess wenige Monate vor seinem 65. Geburtstag nach 14 Jahren in zweiter Instanz vor dem Bundesfinanzhof (Aktenzeichen I R 57/03).
Mir war klar, dass man sich höllisch vorsehen muss, wenn man so etwas über einen mächtigen Verleger berichtet. In Deutschland gilt ein extremes Steuergeheimnis. Kein Gericht würde im Zweifel bestätigen, dass das Verfahren Hubert Burda oder genauer seine Burda GmbH betraf. Man muss es zweifelsfrei beweisen können.
Das Schöne war, das ging, zweifelsfrei. Burda ließ seinen Prozess nämlich von seinem Vorstandsmitglied Robert Schweizer, einem Rechtsanwalt, führen. Und Schweizer war ganz offensichtlich über die Maßen stolz, als er den Prozess in erster Instanz gewann.
Deshalb veröffentlichte er das von ihm gewonnene erstinstanzliche Burda-Urteil auf seiner Homepage und anonymisierte es so notdürftig, dass es für Burda später unmöglich war abzustreiten, dass dieses Urteil – und deshalb auch die anschließende Niederlage beim Bundesfinanzhof – ihn betraf.
Bemerkenswert war auch, dass Gerhard Schröder kurz nach Ergeben des Burda-Urteils beim BFH in einem Doppelinterview mit Burdas Zeitschriften SuperIllu und Guter Rat sein Missfallen darüber kund tat, dass es „in Deutschland bis weit in die Mittelschicht hinein eine Mentalität“ gibt, „dass man staatliche Leistungen mitnimmt, wo man sie kriegen kann“.
Schwer war hingegen, eine Zeitung zu finden, die den Mut hatte, meinen Text auch zu bringen. Es war ein ziemliches Spießrutenlaufen, bis sich schließlich die Frankfurter Rundschau dazu bereit fand. Sie veröffentlichte den Text dann heute vor zehn Jahren. Der Artikel füllte fast die ganze Medienseite und trug die (leider nicht von mir erdachte) Überschrift „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag – vom Finanzamt“.
Gestern las ich in der Badischen Zeitung eins der Interviews, die Burda zu seinem heutigen Geburtstag gewährt hatte. Und wieder stilisiert er sich als geistiger Überflieger, ohne zu merken, dass im Cockpit niemand auf den Kompass guckt. „Als Verleger müssen Sie wissen, was in der Philosophie, was in der Ästhetik passiert“, sagt er. Soweit noch o.k. Und zum Beweis, wie sehr er auf der Höhe der Zeit ist, bringt er ausgerechnet Martin Heidegger ins Gespräch und sagt: „Es ist nach wie vor so, dass der große Philosoph die entscheidenden Fragen stellt.“ Wow!
Die beiden Interviewer hätten natürlich den Gesprächsfaden aufnehmen und Burda fragen können, ob der große Nazi-Helfer und Denunziant Heidegger die entscheidenden Fragen eben gerade nicht stellte. Aber der „große Philosoph“ ist tot. Und die große Schwadrone ist 75.