„Django”, der Film, wird im Umfeld der Berlinale als „Biopic” – Abkürzung für biographical motion picture – gehandelt. Wer den Film mit der entsprechenden Erwartungshaltung sieht, wird in die Irre geführt. Entscheidende Handlungsstränge des Films stimmen nicht. Mein gerade erst heute Nacht geschriebenes Lob auf den Film „Django” schränke ich deutlich ein.
Es geht um die Frage, wie weit sich ein biografischer Film von der Vorlage entfernen darf, nämlich vom realen Leben der beschriebenen Person.
Der Film zeigt, wie der flüchtende Django Reinhardt nahe der Schweizer Grenze Abschied nimmt. Er selbst kann sich die Überwindung des Gebirgskamms zur Schweiz körperlich zutrauen. Freunde und Familie, für die das nicht gilt, bleiben zurück, in der Hoffnung, nicht in die Hände der uniformierten deutschen Mörderbanden zu fallen.
Dramatische Bilder zeigen, wie sich Django Reinhardt zwischen Nadelhölzern durch den tiefen Gebirgsschnee kämpft. Dann folgt ein Schnitt. Mai 1945, Paris. Django Reinhardt, die überlebenden Freunde und Angehörigen und weitere Sinti sind wieder vereint. In einem Sakralbau mit Orgel bringen sie eine Komposition des Musikers zur Aufführung.
Die Wahrheit: Reinhardt versuchte 1943 tatsächlich, in die Schweiz einzureisen. Aber er wurde an der Grenze abgewiesen und kehrte nach Paris zurück. Dort lebte er bis 1945. Er mied vorsichtshalber öffentliche Auftritte. Im Unterschied zum Großteil anderer auch französicher Sinti wurde er nicht in ein Lager gebracht und nicht, wie 600.000 andere europäische „Zigeuner”, getötet. Das lag wohl an seiner immer noch großen Prominenz.
Auf diese Abweichung bin ich heute Morgen beim Nachlesen gestoßen. Sie ist nicht der einzige große Handlungsfaden des Films, der weit von der Vorlage, nämlich der historischen Wahrheit, abweicht.
Darf ein „Biopic” sich so weit von der Wirklichkeit entfernen? Ich maße mir keine Definitionshoheit für Filmkategorien an. Aber das künstlerische Niveau eines Drehbuchs und einer Regie (beides Etienne Comar), die sich einer realen Biografie bemächtigen, hängt auch davon ab, wie nah die Darstellung dem wirklichen Leben dieses Menschen kommt. In diesem Film ist die Distanz erheblich.