Eine E-Mail von Theo Sommer

Wie kam es zur Filbinger-Affäre? Anlässlich des Todes von Fritz J. Raddatz hielt ich Anfang April an dieser Stelle eine Besonderheit aus einer Redaktionskonferenz der ZEIT Ende April 1978 fest. Es ging um die Veröffentlichung des berühmt gewordenen Satzes des Schriftstellers Rolf Hochhuth in der ZEIT, in der Hochhuth Filbinger als „furchtbaren Juristen“ bezeichnete und damit den Sturz des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten einleitete. Das bislang nicht öffentlich bekannte Detail war, dass dieser Text ohne Zustimmung und sogar ohne Wissen von Theo Sommer, dem damaligen Chefredakteur, in der ZEIT veröffentlicht worden war.
Bevor ich diesen Text postete, trug ich meine Erinnerung zunächst Theo Sommer und der heutigen ZEIT-Chefredaktion noch einmal schriftlich vor. Ich legte ihnen nahe, die ZEIT-Leser auch von dieser für die Geschichte der Filbinger-Affäre nicht ganz unwesentlichen Nuance zu unterrichten. Ich veröffentliche im Folgenden nachträglich meine E-Mail vom 5. März und Sommers Antwort-Mail vom 11. März.

Hier zunächst meine E-Mail vom 5. März 2015 an DIE ZEIT:

Sehr geehrte Damen und Herren der Chefredaktion,
sehr geehrter Herr Dr. Sommer,
im April 1978 war ich als einer der regelmäßigen Abgesandten der G+J-Textdokumentation zwei Wochen in Ihrer Redaktion. In dieser Zeit nahm ich auch an einer Redaktionskonferenz teil, in der es um die Veröffentlichung des Hochhuth-Texts um den „furchtbaren Juristen“ Filbinger im Februar 1978 in der ZEIT und um Filbingers juristische Gegenwehr ging.
Nach meiner Erinnerung thematisierten Sie, Herr Dr. Sommer, bei dieser Konferenz, dass Herr Raddatz weder Sie noch den Redaktionsanwalt vorab von der Veröffentlichung des Texts informiert und dass Herr Raddatz diesen Text an allen Kontrollinstanzen vorbei zur Veröffentlichung gebracht hätte.
Sehr genau erinnere ich mich noch an den von Ihnen angeführten Beweisgrund gegen die vage Aussage von Herrn Raddatz, Ihnen das Manuskript wohl routinemäßig zugeleitet zu haben. Sie sagten, Sie hätten in Ihrer Zeit als Leiter des Planungsstabs im von Helmut Schmidt geführten Bundesverteidigungsministerium eines gelernt und verinnerlicht: absolut jedes Papier, das über Ihren Schreibtisch gehe, von Hand zu signieren. Ein solches von Ihnen signiertes Manuskript des Hochhuth-Texts existiere nicht.
Diese Formulierung brannte sich in meine Erinnerung ein und ist mir auch noch heute, 37 Jahre später, voll präsent.
Ich finde dies deshalb erinnernswert, weil Herrn Raddatz damit eine deutlich größere Bedeutung für den Sturz von Hans Filbinger zukommt, als allgemein bekannt ist.
Ich meine, Sie sollten das auch Ihren Lesern zur Kenntnis geben.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Weisbrodt
P.S. 1978 trug noch meinen Geburtsnamen Michael Lein.
Michael Weisbrodt
Pressebüro Böhret Weisbrodt
Pressehaus 2211
Schiffbauerdamm 40
10117 Berlin

Die Antwort von Theo Sommer vom 11. März 2015:

Sehr geehrter Herr Weisbrodt,
haben Sie Dank für Ihre liebenswürdigen Zeilen, mit denen Sie mich an die alten Raddatz-Hochhuth-Filbinger-Zeiten erinnern.
Zu Ihren letzten beiden Sätzen möchte ich aber doch sagen, dass auch wenn Raddatz mir als dem damaligen Chefredakteur das Manuskript vorgelegt hätte, dieses ebenso abgedruckt worden wäre wie ohne eine solche Vorabgenehmigung. Wir waren alle empört über Filbinger – über seine Handlungsweise 1945 ebenso wie über sein Verhalten nach Bekanntwerden der Geschichte durch Hochhuth. Ich selber habe mit Hochhuth im Landgericht von Stuttgart dem gesamten Prozess beigewohnt, in dem uns am Ende in allen wesentlichen Punkten Recht gegeben wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Theo Sommer
Dr. Theo Sommer
DIE ZEIT
Speersort 1