Herzlichen Glückwunsch!

frau sollte die Feste feiern, wie sie fallen. 1987 übernahm die Hamburger Buchbindemeisterin Karen Begemann die Leitung der inzwischen längst ihren Namen tragenden Buchbinderei. Am Sonnabend (21. Januar) feierte sie ihr 30-jähriges Betriebsjubiläum. Auch wir waren zu der Feier im Tschaikowsky-Saal inmitten des Karolinenviertels eingeladen. Wenige Schritte von dort, in einem vormaligen Fabrikgebäude, befindet sich die Werkstatt.

Karen Begemann ist eine wunderbare Frau mit offenem Wesen, gastfreundlich und mit einem herzlichen Strahlen im Gesicht. Und mit einer angenehmen Alt-Stimme. Die braucht sie für ihr Hobby, das Chorsingen. Wir kennen sie über ihre Mitsängerin Bettina Lechten, mit der wir uns vor einem Jahrzehnt bei einem Segeltörn im östlichen Baltikum angefreundet hatten, mit der wir dann bald weitere Törns unternahmen und die wir inzwischen auch bei Solo-Auftritten in der Stimmlage „alt” hörten. Besonders gerne begegnen wir beiden bei und nach Konzerten ihres Chors; oft waren wir auch schon bei ihnen zu Hause zu Gast.

Das Eigentum an der Buchbinderei hatte Karen Begemann sechs Jahre nach dem Anlass der jetzigen Feier erworben. Danach krempelte sie das Geschäft von Grund auf um und errichtete eine GmbH. Weshalb dem Handwerksunternehmen mit seinen zwei Meisterinnen, dem Meister, der Gesellin, der Sachbearbeiterin und den zwei Auszubildenden auch 2018 wieder ein Jubiläum ins Haus steht, eine dann seit 25 Jahren erfolgreiche Existenzgründung. Mit diesem Team stellt es inzwischen eine der größten und besten Buchbindereien Deutschlands dar. Wie sich auf der Feier bestätigte, ist Karin Begemann weithin eine der angesehensten Meisterinnen überhaupt.

Im vergangenen Jahr betraten wir ihren Betrieb zum ersten Mal. Ihr Bruder Hans Christoph Begemann, Opern- und Liedbariton sowie Hochschullehrer an der Universität Mainz, hatte in der Nähe ein außergewöhnliches Konzert gegeben. Für die Nachfeier stellte sie ihm nun eine ihrer beiden Etagen zur Verfügung. Dort zeigte sie uns dann auch ihre Räume, eine Auswahl ihrer Materialien und ihrer Maschinen. Einige ihrer hochwertigen Produkte durften wir in die Hand nehmen.

Individuelles handwerkliches Können hat das vormalige Massengeschäft dieser Branche verdrängt. Nur wenige Bibliotheken, Kanzleien oder Individuen lassen sich am Jahresende noch Wochen- oder Monatszeitschriften binden, um sie dauerhaft in Regalen zu verwahren.

Aber es mangelt an Persönlichkeiten mit dem Geschick, der Erfahrung, dem Wissen und der Hartnäckigkeit, das hergebrachte Know-how mit Fertigkeiten aus dem elektronischen Zeitalter zu verbinden und sich so auf dem Markt zu behaupten. Aber diejenigen, für die das gilt, können sich über eine hochkarätige Kundschaft freuen. Für dieses sehr individuelle Marktsegment fertigen sie aus einer Kombination ausgesuchter und meist schwer zu bearbeitender Werkstoffe prächtige Einzelstücke oder Produkte in kleinen Serien.

In einem solchen Betrieb beeindruckt deshalb auch nicht nur die Variationsbreite der hergestellten Bücher, Alben, Kästen, Schuber, Speisekarten oder Prägungen, sondern auch der Kundenstamm. Und zwar weniger wegen seiner Größe, sondern deutlich mehr wegen der Größe der darin enthaltenen Namen.

gebundene Zeitschrift Anschlaege
Wertarbeit: immer wieder aus dem Regal genommen, auf den Schreibtisch gelegt, zurückgestellt und weiterhin tadellos in Schuss

Mir persönlich war diese Buchbinderei sehr viel früher begegnet als ihre Namensträgerin. So schenkte mir Freund Sighart vor zwei Jahrzehnten einmal eine hier in rotes Leinen gebundene und goldgeprägte Zeitschriftensammlung. Der Band enthielt alle Ausgaben einer linken, pazifistischen und kirchenkritischen Studentenzeitschrift, die Sighart einmal selbst gegründet und herausgegeben hatte und für die auch ich schrieb. Ihr Titel klingt im jetzigen Lutherjahr wieder aufregend doppeldeutig: „Anschlaege“. Ich bewahre sie doppelt gerne auf, seit ich weiß, wer sie gebunden hat.

Auf der Feier widmete ich Karen einen aus meiner Sicht gut für sie passenden Spruch aus Goethes ‚Schatzgräber‘: „Tages Arbeit, abends Gäste; saure Wochen, frohe Feste.“ Aber ihr Musik-gespicktes Fest hatte ganz andere Höhepunkte. Darunter waren Auftritte sehr junger und enorm begabter Musikerinnen, einige davon ihre Patenkinder. Dazu gehörten auch Soli und Duette, die Bettina Lechten vortrug. Und zum Abschluss sang Hans Christoph Begemann für seine Schwester meisterhaft mehrere der fünfzehn von Johannes Brahms vertonten Romanzen aus Ludwig Tiecks „Liebesgeschichte der schönen Magelone“.