Von 1976 bis 1989 war Egon Bahr Bundesgeschäftsführer der SPD. Eine Personalentscheidung, die er in dieser Funktion traf, hat meinen persönlichen Lebensweg nachhaltig verändert. Beim Bundeskongress der Jungsozialisten vom 10. bis 12. Februar 1978 in Hofheim wählten die Jusos Gerhard Schröder im zweiten Wahlgang gegen Otmar Schreiner zum Bundesvorsitzenden. Es war Gerhard Schröders Eintritt in die Bundespolitik. Ich war damals ein aktiver Vertreter des (nicht von mir) so genannten „Antirevisionisten“-Flügels der Jungsozialisten, der seine Haupt-Standorte in Göttingen, Hannover und Hamburg hatte.
Zur unbestrittenen Führungsgestalt entwickelte sich dort der junge Rechtsanwalt Gerhard Schröder. Ich lernte ihn bei diversen Besuchen zu Strategie- und Theorietreffen in Göttingen kennen. Mehr aus Spaß überreichte er mir eine Visitenkarte, die ihm Freunde geschenkt hatten, mit der Berufsbezeichnung „Linksanwalt“.
Einmal kam er auch mit den „Göttingern“ zu uns nach Hamburg zu einem Gegenbesuch im Hambuger „Remter“ im Gebäude der Handwerkskammer am Holstenwall, wo ich ihn begrüßte und Teile der Diskussion leitete. Der Remter war unser ständiger Treffpunkt und Namensgeber des sich marxistisch verstehenden „Remter“-Kreises der Hamburger Jusos.
Als Gerhard Schröder seine Kandidatur zum Juso-Bundesvorsitzenden vorbereitete, entschied er sich für mich als seinen – vom Kongress zu wählenden – Kandidaten für die hauptamtliche Tätigkeit als Juso-Schüler-Referent in der „Baracke“ in Bonn aus.
Ich war zu der Zeit seit längerem auch einer der beiden Vertreter Hamburgs im „Juso-Bundesausschuss“. Der andere Vertreter war der blutjunge Olaf Scholz, der mir als Vertreter des verknöcherten DKP-freundlichen „Stamokap“-Flügels der Jusos damals ziemlich greisenhaft erschien. Heute macht er alles, was er anfasst, sehr gut.
Langer Vorrede kurzer Sinn:
Auf dem Hofheimer Bundeskongress wurde ich in Abwesenheit (ich hielt mich aus beruflichen Gründen für zwei Monate in New York auf) von einer Kongress-Mehrheit zum Referenten gewählt, nachdem Gerhard Schröder meine Kandidatur vor dem Kongress begründet hatte.
Wenige Tage später erfuhr ich telefonisch von meinem Freund Holger Weidner, dass mich Egon Bahr trotz der Wahl nicht einstellen werde. Holger wusste das als einer der ersten, weil er einen Freund in Bonn hatte, der Bahrs persönlicher Referent war.
Für mich war damit klar, dass ich keine weiteren Anstrengungen unternehmen würde, Politik zum Beruf zu machen, sondern dass ich den inzwischen eingeschlagenen Berufsweg als Journalist fortsetze.
Mit Gerhard Schröder persönlich kam ich erst wieder zusammen, als ich 1999 im Berliner Kanzleramt als Hauptstadtkorrespondent Gast seiner Hintergrundgespräche im damaligen Kanzleramtsgebäude auf der Museumsinsel war, und als ich ihn im selben Jahr auf seinem ersten Staatsbesuch nach Tokyo, Shanghai und Peking begleitete.
Egon Bahrs mich betreffende Personalentscheidung habe ich ihm persönlich nie übel genommen. Ich kannte und kenne den Hintergrund dafür und werde vielleicht auch im Sporadum noch einiges darüber schreiben. Dem hohen Respekt, den ich Bahr gegenüber bis zum Schluss empfand, konnte seine Entscheidung gegen mich keinen Abbruch tun.
(geschrieben im McDonald’s neben der BAB-Ausfahrt Eisenberg zwischen Gera und Jena in Thüringen)