Shakespeare's Globe am Themseufer

Imogen

Wer den englischen Frauennamen auf deutsch so ausspricht, wie er geschrieben wird, tut ihm Gewalt an. Aber auch die in Wikipedia veröffentlichte Lautschrift von Imogen als ˈɪmədʒən (mit einem Anfangs-i wie in „immer“) stelle ich in Frage. Auf jeden Fall richtig ist Immidschin (ˈimidʒin). So habe ich den Namen jetzt mehrere Dutzend Male von Leuten flüstern, deklamieren oder brüllen gehört, die es wissen müssen: von den Schauspielerinnmen und Schauspielern im Londoner Shakespeare’s Globe Theater.

In dem kreisrunden halboffenen Bühnenbau am Themse-Ufer (Foto oben: Andreas Praefcke) steht derzeit eine atemberaubend moderne Interpretation des Shakespeare-Dramas „König Zymbelin“  (englisch „Cymbeline“)  auf dem Programm. In dem Stück geht es um eine widerstandswillige Königstochter, die sich einer Zwangsheirat entzieht und heimlich den Mann ihrer Liebe ehelicht, während ihr Vater, der König, die Briten in eine Befreiungsschlacht gegen die römische Besatzungsmacht führt. Auf Seiten der Römer kämpft Imogens/Immidschins Gatte, den der König nach der Hochzeit aus Britannien verbannt hatte. Auch in der Verbannung noch ist dieser Gatte weiterhin so von der Liebe und Treue seiner Frau überzeugt, dass er sich hinreißen lässt, einem anderen darauf eine Wette anzubieten. Der nimmt die Wette an.

Eine Eigenstrategie innerhalb des britischen Heeres verfolgt dann aber auch noch der Mann, dem König Zymbelin die Ehe mit seiner Tochter in Aussicht gestellt hatte. Das Ganze führt zu einem wilden hin und her, in dem es nur einen einzigen wirklich charakterfesten Akteur gibt, Imogen. Auf und über der nahezu requisitenfreien Bühne wird gekämpft, gesungen, geturnt, getanzt, gemordet, geköpft, dass einem schwindelig wird.

Regisseur Matthew Dunster hat Shakespeares „König Zymbelin“ umbenannt und zugespitzt. Das Stück als Ganzes heißt jetzt Imogen. Maddy Hill, den Briten aus der Soap Opera „EastEnders“ als TV-Schauspielerin bekannt, spielt die Titelfigur in Adidas-Hosen und Hoody völlig unprätentiös und dadurch um so glaubhafter. Nicht nur sie, der gesamte Schauspieltrupp leistet textlich, mimisch, musisch und akrobatisch so extrem viel, dass die Zuschauer am Ende völlig aus dem Häuschen sind. Vor allem aber: Er bietet ein klassisches, von einer stringenten Handlung durchzogenes Sprech-Theater ohne Schnickschnack und zum Mitdenken.

Einschränkendes Bekenntnis: Leider machte es mir mein nicht muttersprachliches Englisch streckenweise immer wieder schwer, den Shakespeare-Text und die Reaktion der 1400 Mitzuschauer, rund die Hälfte davon auf Stehplätzen unmittelbar vor der Bühne, voll zu verstehen. Total schade. Am 13. Oktober gibt es eine Aufführug mit englischen Untertiteln, eigentlich für Hörbehinderte. Hätte ich mich nicht längst anders verplant, stündig ich in Versuchung, allein deshalb noch einmal kurz hin zu fahren.