Beeindruckendes Schauspiel

Heute Nachmittag um kurz nach fünf (deutscher Zeit) ging das viertägige Hearing des Höchsten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland zu Ende. Meine unmaßgelbliche Mutmaßung: Die britische Regierung wird diesen Brexit-Prozess verlieren. Das würde heißen, Premierministerin Theresa May würde ihre Ankündigung nicht umsetzen können, den Brexit Ende März ohne gesetzgeberische Handlungen des Parlaments gegenüber der EU zu erklären. Diese Erwartung ließ zum Schluss sogar der oberste Gerichtsrepräsentant der Regierung, James Eadie, anklingen. Beeindruckendes Schauspiel weiterlesen

„Leaving the Club?“

Das Gebäude des Supreme Court of the United Kingdom
Das Gebäude des Supreme Court of the United Kingdom befindet sich in London gegenüber dem Parlament und direkt neben der Westminster Abbey. Foto: Christine Smith. CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

Gestern sowie heute Vormittag habe ich einige Zeit vor dem PC-Bildschirm verbracht und das Hearing des Supreme Court of the United Kingdom zum Brexit verfolgt. Gibt es an dem Hearing etwas, das ich positiv fand? Ja. Zum Beispiel, dass weder die elf Richter noch die verschiedenen für die Regierung auftretenden Kronanwälte Perücken oder Roben trugen.

Aber der Anlass des Hearings, der beabsichtigte Brexit, ärgert und berührt mich persönlich. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, der Gedanke daran nimmt mich so mit, wie mich heute vor vier Wochen schon die Wahl des dämlichen Donald mitgenommen hatte. „Leaving the Club?“ weiterlesen

Clubland

Der Garrick 'Club
„One of the oldest, most highly esteemed and most exclusive member clubs in the world.“ So beschreibt Wikipedia den Garrick Club in London. Foto: lonpicman. Fotorechte: GNU Free Documentation License, Version 1.2

Das Vereinigte Königreich hat bei dem Plebiszit am 23. Juni seinen Austritt aus der EU beschlossen. Mit 16 Millionen Ja- gegenüber 14 Millionen Nein-Stimmen haben die Engländer und die Einwohner von Wales dabei die Schotten und die Nordiren überstimmt. Dort stimmten 2,1 Millionen Einwohner gegen und nur knapp 1,4 Millionen für den Austritt. Für den Fall, dass die Regierung das Plebiszit vollzieht, spielen die Schotten jetzt wieder offen mit dem Gedanken, das Königreich ganz zu verlassen.

warum wollen die Briten weg?

Aber woher kommt der offensichtliche Hang vieler Engländer zur Selbstisolierung? Mir scheint, dass der dem Brexit zuneigende Teil des Inselvolks für Europa gerne das wäre, was die Mitglieder eines exklusiven Londoner „Gentlemen’s Club” für ihre nicht zum Club gehörigen Landsleute sind. In der politischen Debatte Englands wird der Vorgang tatsächlich oft einfach als „Leaving the Club“ bezeichnet.

Diese Assoziation ging mir auch durch den Kopf, als ich kürzlich – drei Monate nach dem Brexit-Votum – erstmals selbst einen Londoner Mitglieder-Klub betrat. Ich nehme den Gedanken jetzt einmal zum Anlass zu einem ausgedehnten Streifzug durch das Londoner „Clubland” und lasse meiner Spekulation dabei freien Lauf.

Die Engländer interessieren mich seit meiner Kindheit im niedersächsischen Oldenburg. Der Hauptgrund: Ich wurde als Methodist erzogen, also als Angehöriger einer aus England stammenden evangelischen Freikirche. Zu meinen frühesten Spielkameraden gehörten andere Kinder aus anderen methodistischen Familien und auch Kinder aus der Baptistenkirche in der Nachbarstraße. Die Baptisten waren ebenfalls in England entstanden. Zuhause wurde viel aus England erzählt, und wir hatten regelmäßig englische Gäste.

Von den Londoner Clubs wusste ich aus der Schule in Hamburg und aus diversen Büchern. Als Oberschüler war ich 1966 erstmals auf der Insel und verbrachten den Großteil meiner Sommerferien in London. Damals hielt ich es für ausgeschlossen, in naher Zukunft einmal Zugang zu einem der Gentlemen’s Clubs zu erhalten, in denen Sherlock Holmes, zeitweise mein literarischer Lieblings-Detektiv, schweigend und lesend seine Mußestunden verbrachte. Aber ich hätte es mir sehr gewünscht. Und ich fragte mich bei manchem Gebäude im Zentrum dieser riesigen Stadt, ob es nicht einen solchen Klub beherbergt. Heute weiß ich, dass ich damit zwischen Trafalgar Square und Buckingham Palast häufiger richtig lag, als ich ahnte.

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Imogen

Wer den englischen Frauennamen auf deutsch so ausspricht, wie er geschrieben wird, tut ihm Gewalt an. Aber auch die in Wikipedia veröffentlichte Lautschrift von Imogen als ˈɪmədʒən (mit einem Anfangs-i wie in „immer“) stelle ich in Frage. Auf jeden Fall richtig ist Immidschin (ˈimidʒin). So habe ich den Namen jetzt mehrere Dutzend Male von Leuten flüstern, deklamieren oder brüllen gehört, die es wissen müssen: von den Schauspielerinnmen und Schauspielern im Londoner Shakespeare’s Globe Theater.

In dem kreisrunden halboffenen Bühnenbau am Themse-Ufer (Foto oben: Andreas Praefcke) steht derzeit eine atemberaubend moderne Interpretation des Shakespeare-Dramas „König Zymbelin“  (englisch „Cymbeline“)  auf dem Programm. Imogen weiterlesen

Eight Days a Week

Vorgestern (15. September) kam der Dokumentarfilm „The Beatles: Eight Days a Week – The Touring Years“ des amerikanischen Filmemachers Ron Howard in die angelsächsischen und, mit Untertiteln, in die deutschen Kinos. Eigentlich wollte ich ihn sofort am ersten Tag sehen. Aber wir haben ihn uns dann einen Abend später im Hackesche Höfe Kino angeschaut. Jetzt, anderthalb Stunden nach Mitternacht und eine weitere Stunde nach dem Filmende, sitze ich in einer Kneipe unter des S-Bahn Hackesche Höfe und bin noch ganz von dem Streifen gefangen.

Der Film hat mich berührt. Die Beatles sind, wie es weltweit für die Mehrheit meiner Altersgenossen gilt, Teil meiner eigenen Biografie. Eight Days a Week weiterlesen

Das verpasste Wembley-Tor

ein FußballHeute vor fünfzig Jahren war ebenfalls ein Sonnabend. Ich hatte Schulferien und befand mich in London. Abends streifte ich mit Holger Kühn, einem Klassenkameraden vom Kirchenpauer-Gymnasium in Hamburg, durch Soho. In einer Kneipe, die damals direkt unter dem Pickadilly Circus lag, hatten wir etwas getrunken. Als wir wieder ans Tageslicht kamen, erstaunte uns ein zunehmender Strom singender, tanzender und feiernder Menschen. Leute bildeten massenhaft Reihen, indem sie sich gegenseitig an den Schultern festhielten, hüpften und im Rhythmus ihres Gesangs abwechselnd das rechte und linke Bein nach vorn warfen.

Es herrschte eine frohe, geradezu ausgelassene Das verpasste Wembley-Tor weiterlesen

Das knarzende Alsion

Sonderborg von oben
Sonderburg an der Mündung des Alsen Sund in die Flensburger Förde. Foto: Lars Plougmann. Quelle + Rechte

Der Alsensund ist eine acht Kilometer lange dänischen Meerenge. Sie trennt die Insel Alsen vom Festland und mündet auf der Südseite in die Flensburger Förde. Weit mehr als ein Dutzend Mal habe ich den Sund in offenen oder geschlossenen Booten durchsegelt oder zumindest vor der Altstadt von Sonderburg (dänisch: Sønderborg) und dem dortigen Schloss fest gemacht. Meine Frau und mich verbindet ein abenteuerlicher Jollentörn von der Schlei aus mit dieser Stadt.

Wir waren frisch verliebt. Aber das Wasser war kalt und kabbelig. Das knarzende Alsion weiterlesen

Sommereinstieg

Daniel Barenboim noch mit Lisa Batiashwili und der Staatskapelle Berlin
Noch in Arbeitsklamotten: Gut eine Stunde vor Konzertbeginn übt Daniel Barenboim mit Lisa Batiashvili und der Staatskapelle. Foto: Sporado

Am 9. Juli waren wir wieder bei der „Staatsoper für alle“ mit der Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim auf dem Bebelplatz in Berlin. Die Veranstaltung fand an diesem Ort nun schon zum 10. Mal in Folge statt. Diesmal gab es ein Violinkonzert (genauer: das Violinkonzert; der Komponist hat nur eines geschrieben)  des Finnen Jean Sibelius und anschließend Beethovens dritte Symphonie (die Eroica). Sommereinstieg weiterlesen